19.4. 2024; Victoria
Nachdem nun meine Meeresangelsaison offiziell begonnen hat, habe ich natuerlich auch die Gezeitenstromtabellen besorgt und darin die besten Heilbuttgezeiten markiert. Diese zeigten an, dass ich mal lieber Freitag den 19.4. freimachen sollte um den Flachmaennern auf die Schuppen zu ruecken. Die Gefriertruhe war auch noch gaehnend leer und so ueberzeugte ich meinen Boss von der ausdruecklichen Notwendigkeit (er angelt auch!).
Alexander war zwischen seinen Collegepruefungen und konnte auch mit. Es sollte zwar nicht windstill werden, aber machbar. Diesmal wollte ich keine neue Stellen erkunden und herumprobieren, sondern ich wollte zu meiner langjaehrig bewaehrten Stelle im Mudhole fahren. Als Koeder besorgte ich noch gefrorene Heringe, und hatte ausserdem noch Makrelen und Lachsfetzen. Um 11:00 Uhr fing die gute Gezeit an und so hatten wir noch Zeit ein wenig zuvor auf Lachs zu schleppen. Wir hatten die gesamte Victoria Waterfront fuer uns alleine heute. Ich fuhr uns kurz zur 40m Tiefenlinie und dort legten wir unsere beiden Koeder, zwei schlanke Blinker, aus. Da einer meiner elekrischen Downrigger zur Reparatur war und ich nur einen manuellen als Ersatz hatte, kam der eine Blinker nur auf 30m Tiefe um Grundkontakt auf jeden Fall zu vermeiden. Viel Hoffnung auf Fisch im Mittelwasser hatte ich nicht weil die immer noch dominierenden Winterchinooks fast immer bodennah jagten. Aber vielleicht kam ja schon ein grosser heimkehrender Laichlachs durch. Nur den wuerden wir wahrscheinlich wieder freilassen muessen, denn diese galt es zu schonen und daher darf man momentan nur einen markierten Chinook pro Tag behalten. Die markierten Winterchinooks bestehen im Fruehjahr vor Victoria zu 90% aus markierten Brutstationlachsen und diese bedurften keiner Schonung. Spass waere es aber doch mal wieder einen grossen, feisten Chinook zu drillen auch wenn er wieder zurueck musste.
Nach einer Viertelstunde zuckelte die Rute mit dem bodennahen Koeder los. Alex schnappte sich die Rute und drillte den Fisch an das Boot. Der wuerde zu klein sein, meinte er schon von Anfang an und so blieb ich auch gleich sitzen und machte keinen Kescher fertig. Als er sich dann ueber die Bordwand beugte und das Vorfach in der Hand hielt, hoerte ich wildes Platschen neben dem Boot. Alex hielt inne und nach paar Sekunden fragte ich ob alles in Ordnung waere. Er druckste etwas herum und meinte der muesste vielleicht doch mit weil er blutete. Ich kam heran und schaute ins Wasser. Der war gar nicht so schlecht, auf jeden Fall 50 cm und der Haken hing tief hinten in den Kiemen drin. “Nimm’ mit!”, rief ich ihm zu und er hob den Fisch gleich am Vorfach ins Boot und in die Fischkiste. Na klasse, das war doch kein schlechter Anfang! Wir klatschten uns ab. Ich schleppte uns weiter nach Westen, schonmal in die Richtung unserer spaeteren Heilbuttstelle. Dann sahen wir eine kreischende Moewenherde etwas weiter im tieferen Wasser. Dort musste ein Heringsschwarm von unten an die Meeresoberflaeche gedrueckt worden sein, und normalerweise waren das hungrige Lachse schuld.
Ich fuhr uns etwas zuegiger zu der Stelle. Als wir ankamen, war zwar das groesste Spektakel schon vorueber aber die Moewen sassen noch auf dem Wasser herum und warteten auf eine erneute Gelegenheit an die Heringe heranzukommen. Die waren sicher etwas tiefer abgetaucht. Wir zogen einen grossen Bogen um diese Stelle. Ich bemerkte eine Menge Treibgut im Wasser; Grass, Kelpstuecke usw. Das war eine ausgepraegte Gezeitenlinie und die zog oft Kleinfisch und dann auch Raeuber an. Nur musste ich aufpassen, dass wir nicht zuviel Zeug an den Downriggerkabeln und Angelschnueren einsammelten sonst muessten wir einholen und saeubern. Ich stand auf und steuerte das Boot von der hinteren Steuerstation durch das Schwimmgut und passte auf, dass kaum was an die Schnuere und Kabel kam. Da sah ich wie ploetzlich die Mittelwasserrute hart heruntergezogen wurde, der Clip sofort ausloeste und dann die Rute wild nach hinten gezerrt wurde. Die Rolle liess schon aechszend Schnur los. Wow, das war mal ein Biss! Ich schnappte mir die Rute augenblicklich und stellte die Rollenbremse etwas lockerer. Jetzt zog der Fisch eine gute Menge Schnur ab. Na also! Man vergisst nach einer Weile wie stark bessere Lachse kaempfen koennen. Der machte richtig Alarm an der Rute und es war ein Riesenspass so zu drillen. Alex war auch begeistert und holte schnell die andere Rute und Rigger ein und machte den Kescher klar. Mal sehen wie gross er war und ob er markiert war. Es ging paar Mal noch hin und her und ich drillte eher vorsichtig. Dann tauchte er hinter dem Boot auf. Ein guter Chinook, wenn auch kein Riese. Bei der Landung mussten wir noch auf das Kabel des manuellen Downriggers aufpassen, dass noch draussen war weil Alex keine Zeit mehr gefunden hatte, es per Hand hochzukurbeln. Eben der Nachteil der manuellen Version. Bevor der Lachs noch gross neben dem Boot herumtoben konnte, zog ich hart an und schlidderte den Fisch Richtung Boot und Alex sackte ihn fachgerecht ein. Jawoll! Dann schauten wir gespannt in den Kescher, noch draussen im Wasser.
Haken war schon rausgefallen, Glueck gehabt. Fettflosse oder nicht? Ich sah nichts. Ich hob das Netz etwas aus dem Wasser um noch einen besseren Blickwinkel zu bekommen; jupp, der war eindeutig markiert! Feine Sache! Und so durfte der etwa 8 Pfuender auch noch mit in die Kiste. Das hat ja fein funktioniert heute! Wir klatschten uns wieder ab und freuten uns ueber den Erfolg. Beim Versorgen des Lachses bemerkten wir die ungewoehnliche Form; der Fisch war nur reichlich 60cm aber fett und rund wie ein Football. Und ein ganz spitzes Maul. Sieht man auch nicht haeuffig. Mal sehen ob ich einen Brief vom Fischereiministerium mit Info zurueckbekomme, von dem eingelieferten Kopf. Koepfe von markierten Lachsen soll man einreichen (die meisten Marinas und Angellaeden haben Tiefkuehltruhen mit Notizzetteln) damit die Fischexperten Herkunft, Alter etc bestimmen koennen. Wenn das der Fall ist, dann bekommt man eine Nachricht gemailt. Immer wieder interessant.
Nun hatten wir unser Lachs-Tageslimit und wollten nur noch zum Spass eine halbe Stunde probieren ob wir noch einen feisten Gezeitenlinienraeuber ueberlisten konnten. Es war noch etwas frueh fuer Butt im Mudhole. So kreisten wir noch eine Weile herum aber hatten keinen weiteren Fischkontakt mehr. Komisch dass heute keine untermassigen Shaker unterwegs waren. Um 11:00 Uhr packten wir das Lachszeug zusammen und fuhren 10 Minuten weiter westlich zum Mudhole. Es war schon etwas schuckelig, aber machbar. Zwei andere Boote lagen schon an meiner Lieblingsstelle wo die meisten meiner Fangmarkierungen auf dem Plotter lagen, aber das Mudhole war ein weitlaeufiges Plateau und es war nicht unedingt wichtig an einem bestimmten Platz zu sein. Und so ankerten wir in sicherer und hoeflicher Entfernung der beiden Boote. Schnell machten wir zwei Buttruten klar, eine mit Heringskoeder und eine erstmal mit Lachsfetzen. Natuerlich alle schoen mit dem Lockstoff Buttjuice eingeschmiert, was sonst?
Dann gingen die Koeder in die 100m Tiefe. Es bedurfte noch des vollen Kilobleis um die Koeder am Boden zu halten; die Stroemung fing erst jetzt langsam an nachzulassen. Wir machten es uns gemuetlich denn keiner von uns erwartete sofortige Action. Wenn jetzt nur nicht die Dornhaie kamen und uns staendig auf Trab hielten – bei ueber 100m Tiefe mit Kilobleigewicht ist das kein Spass. Nunja, das war meine Meinung; Alex haette sicher den einen oder anderen Haibiss begruesst. Anderthalb Stunden vergingen ohne das geringste Anzeichen von Leben am Meeresgrund. Die Stroemung war mittlerweile ziemlich mau und die Schnuere hingen fast senkrecht unter das Boot. Da sahen wir ploetzlich die Heringrute zweimal hart rucken. Elektrifiziert sprangen wir auf; Alex war schneller an der Rute als ich und hatte schon die Hand an der Rolle. Aber die Rute war nun wieder ruhig. Ich murmelte vor mich hin: “Bitte komm’ wieder zurueck, Buttchen, lecker Hering hier…”. Und tatsaechlich ploetzlich zog die Rute nach unten und Alex kurbelte hart hinein. Ich sah die Rute krumm bleiben und er bestaetige gleich: “Der haengt!”. Klasse!
Waehrend Alex langsam aber stetiig einkurbelte, holte ich schnell den Gimbal heraus und schnallte ihn Alex um. So konnte er jetzt die Rute aus dem Halter holen und den Fisch in der Hand hochdrillen. So konnte man besser auf Fluchten oder ploetzliche Ereignisse reagieren. Der Fisch schien kein Riese zu sein und nahm keine Schnur. Nur hin und wieder wippte mal die Rute kraeftig was ein typisches Merkmal eines Heilbuttdrills ist. Bald hatte Alex ihn oben und wir sahen einen kleinerer Butt auftauchen. 12-15 Pfund vielleicht; eben die vorherrschende Altersklasse im Moment. Ein Biologe erklaerte mir vor kurzem das die vorhergehend dominierende Kohorte des 2012 Jahrgangs so langsam aus der Butt-Biomasse herauswaechst und nun die 2018 Jahresklasse uebernahm. Und die waeren in der U20 Pfund Klasse. Wusste auch nicht, dass nicht jeder Jahrgang gut ueberlebte. Aber wir waren trotz der Kleine des Butts erfreut und gluecklich. Ich gaffte den Fisch und seilte ihn an um ihn dann ausserhalb des Bootes ausbluten zu lassen. Inzwischen waren wieder zwei Ruten am Fischen. Wer weiss, vielleicht ging ja noch mehr!?
Eine Dreiviertelstunde passierte wieder absolut nichts. Ich hatte gerade mein Auge auf die rythmisch im Wellengang schwingende Rutenspitze der Heringsrute, als ich die ploetzlich stehenbleiben sah. Aha, da passiert was. Dann folgte ein harter Ruck worauf die Rute stetig und schwer nach unten gezogen wurde und Schnur schon widerwillig von der Rolle zog. Das war kein Kleinfisch. Ich war im Nu dabei und zog die Rute raus und steckte sie in den Gimbal den mir Alex diesmal umband. Die ersten 20 Sekunden konnte ich gar nichts weiter machen als den Fisch ziehen zu lassen. Hier im Mudhole gab es keine Hindernisse am Grund und man konnte grosse Grundfische problemlos ziehen lassen. Ich stellte die Bremse ein und als der Fisch stehen blieb, begann ich mit dem gemaechlichen Pumpen. Ich habe ueber die Jahre gelernt, dass man einen Butt regelrecht einlullen kann im Drill, wenn man ihn nur stetig und ruhig hochholt. Wer einen mehr spektakulaeren Buttdrill riskieren moechte, sollte hart und ruckig drillen und hin und wieder ein paar Sekunden Pause einlegen. Das macht den Butt munter und aergerlich. Ich wollte diesen Kerl hier lieber landen als spektakulaer drillen. Ein paar Mal fuehlte ich seine wuchtigen Kopfstoesse und nach etwa 20m hatte der Bursche genug und raste wieder bis zum Grund. Das war definitiv kein 2018 Jahrgang!
Das naechste Mal hatte ich ihn schon 70m hoch als er nochmals zu einer Fluch ansetzte nachdem ich kurz unterbrechen musste um den Gimbal etwas fester zu zurren. Wir hofften er hing fest und machte sich nicht noch los. Wir hatten vorsichtshalber auch den Duftsack am Downrigger hochgeholt damit sich der Butt nicht um das Kabel verwickeln konnte. Alles war klar zu Landung. Ich hiess Alex die Harpune fertigzumachen. Aber er konnte die Spitze nicht finden. Da tauchte der Butt schon auf, ein schoenes Exemplar – um die 40 Pfund schaetzte ich mal obwohl ich kaum noch Masstabserfahrung vorweisen konnte. Ich sah, dass nur der untere Einzelhaken seitlich im Maul hing – also keinen Fehler machen. Das Schlimmste was man bei einer Buttlandung machen kann ist den Kopf ueber Wasser zu zerren. Das animiert einen Butt zu einer regelrechten Tollwut neben dem Boot und oft geht er dann wieder Richtung Grund. Nicht was ich im Anbetracht des Hakens riskieren wollte. Er lag jetzt still neben dem Boot aber die Harpune war nicht fertig, Alex suchte frenetisch im ganzen Boot. Ich langte kurzentschlossen zum Gaff. Normalerweise harpunierte ich alles ueber 30 Pfund – war sicherer und man machte den Fisch ausserhalb des Bootes fertig und musste nicht das Herumtollen einen wuetenden Buttes im Boot durchstehen.
Aber hier musste ich es riskieren und den Butt am Gaffhaken ueber die Bordwand ins Boot zerren. Der musste unbedingt mit! Ich schlug ihm das Eisen in den Schaedel, was ihn gleichzeitig etwas betaeubte, und zerrte ihn mit aller Kraft ins Boot. Und hielt ihn hoch und von mir weg….. ha, er hielt erstmal still, gut so! Ich loeste erstmal schnell den Haken was erschreckenderweise super einfach ging! Ich war so erleichtert, dass ich keine weitere Flucht riskiert hatte. Alex nahm schnell Rute und Gewicht und Haken weg so dass nichts Gefaehrliches herumfliegen konnte falls der Butt wuetend wurde. Aber er hielt schoen still am Gaff. Alex holte dann schnell den kleinen Butt rein und fummelte die Schnur ab und gab mir das stahldrahtverstaerkte Ende was ich nun versuchte dem grossen Butt von den Kiemen her durch das Maul zu fuehren. Aber er presste hart die Kiemendeckel zu. So versuchte ich es vom Maul her und nach ein paar Versuchen hatte ich die Schnur durch, ohne das der Butt auch nur gezuckt haette. So ein braves Tier. Als ich ihn nun sicher an der Leine hatte, wuchtete ich ihn wieder ueber Bord und stemmte mich ein. Gluecklicherweise, denn sobald der auf dem Wasser aufprallte, tobte er los. Wie wild wuchtete er sich hin und her und das Wasser schaeumte nur so und ich war glitschnass im Gesicht. Eine Dusche die ich gerne ueber mich ergehen liess fuer diese praechtige Beute. Als er endlich Ruhe gab, gab ich ihm den Rest und durchschnitt die Kiemen und liess ihn am Boot haengend ausbluten. Den kleineren haengten wir gleich wieder dazu.
Fantastisch! Wir strahlten uns an und fuehlten uns zu Recht als Sieger. Wir hatten nun unser Lachs- und Heilbutttageslimit und waren damit fertig. Wer weiss, haetten wir weitergeangelt, vielleicht haette noch ein Butt gebissen. Aber so packten wir gemuetlich zusammen, schleppten den Anker hoch und fuhren dann hochzufrieden zurueck. Es hatte heute so ziemlich alles geklappt und alle Fischgoetter waren gnaedig zu uns gewesen. Haette nicht besser sein koennen! Seltsam war, das wir keinerlei Beifang hatten; weder untermassige Lachse noch Haie bei Buttangeln. Nichts, 4 Bisse, 4 Zielfische. Das war sehr ungewoehnlich. Und die Familie musste nun nicht mehr hungern!